Heinz Reins grandioses Buch über den Untergang Berlins und die Ansätze, das Auferstehen aus Ruinen möglich zu machen, ist endlich wiedererschienen.

Dieses Buch ist ein Bombenangriff: Heinz Reins „Finale Berlin“. Nie davon gehört? Kein Wunder: Jahrzehnte lang war es vergriffen und wurde vergessen und immer wieder wünschten sich Kundige: Wann endlich wird dieses Buch wieder aufgelegt: Nun ist es endlich da und wird als Wiederentdeckung gefeiert. 1947 erschien „Finale Berlin“ in der Sowjetischen Besatzungszone mit einer, für damalige karge Verhältnisse, unglaublichen Auflage von 80.000 Exemplaren. Heinz Rein beschreibt, beginnend mit dem 14. April 1945, die letzten Tage der Reichshauptstadt Berlin, die Agonie einer Zentrale des Unheils, deren dahinwesende Herrscher immer noch Durchhalteparolen ausgeben, um in den Geschichtsbüchern in die Ewigkeit einzugehen. Dabei haben sie längst verloren, die Menschen haben alles verloren, aber sie dürfen nichts verloren geben, keinen Quadratzentimeter deutschen Bodens. Im größten Trümmerhaufen der bisherigen Weltgeschichte herrscht das Chaos. Mittendrin versuchen Deserteure ihr Überleben zu organisieren, ebenso wie das „letzte Aufgebot“. Das treibt, irre geworden von den Pfeifkonzerten der Stalinorgeln durch die Ruinenlandschaft, versteckt sich in den vermeintlich sicheren Kellern und erstickt unter den Feuersäulen nach den Bombenangriffen, die der Stadt den Atem nehmen. Inmitten dieses Infernos sind SS-Einheiten auf der Jagd nach Juden, Andersdenkenden und Deserteuren, die sie nach Erledigung ihrer Aufgabe einfach aufhängen oder erschießen. Inmitten dieses Infernos betritt der Deserteur Joachim Lassehn am 14. April 1945 eine Kneipe am Schlesischen Bahnhof und bestellt ein Bier. Oskar Klose, der Wirt, weiß um die Lage des Gastes und versucht ihn auszufragen. Lassehn zieht seine Pistole und will bezahlen, woraufhin der Wirt fragt: „Warum traust du mir nicht, Junge“. Die Antwort spiegelt die Stimmung in der sterbenden Stadt: Warum sollte ich ihnen vertrauen. Vertrauen ist eine Pflanze, die in Hitler-Deutschland nicht mehr gedeiht.“ Wohl wahr. Aber Lassehn lässt sich vom alten Antifaschisten Klose des Gegenteils überzeugen und überlebt. Diesen Überlebenskampf beschreibt Heinz Rein auf über 700 Seiten, eine so spannend wie die nächste, und auf jeder Seite sind Hoffnung und Agonie so nah beieinander, dass der Atem stockt. „Finale Berlin“ ist kein Roman, wie der Dietz Verlag 1947 annoncierte. Es ist auch auch keine Dokumentation oder ein Protokoll, sondern es ist der nach zwölf Jahren Unterdrückung herausgeschriene Appell für ein neues Deutschland. Der gehört in jede Bibliothek und sollte in den Kanon der Schulliteratur aufgenommen werden eingedenk des Brecht’schen Satzes: „Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch.“ Bezeichnend für den Geisteszustand der frühen Bundesrepublik Deutschland ist die Tatsache, dass „Finale Berlin“ erst 1980 in der damals noch gewerkschaftlichen Büchergilde Gutenberg einem kleinen Publikum zugänglich gemacht wurde, um alsbald wieder vergessen zu werden. Es sollte 35 Jahre dauern, bis der kleine Frankfurter Schöffling-Verlag „Finale Berlin“ wiederentdeckte. und auch die Büchergilde Gutenberg hat sich an ihre Tradition erinnert und „Finale Berlin“ in ihr Herbstprogramm aufgenommen. Welch ein Glück.
Lothar Pollähne


Heinz Rein, Finale Berlin, Schöffling-Verlag, Frankfurt, 2015, 760 Seiten, € 24,95
Die Büchergilde Gutenberg bietet das Buch für Mitglieder zum Preis von € 22,95 an.

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