Es ist recht selten, dass eine so prominent benannte Straße verkürzt wird, aber der Bismarckstraße ist genau dies passiert. 1897 wurde sie nach dem vormaligen Reichskanzler Otto von Bismarck benannt und führte von der Hildesheimer Straße bis zum Bismarck-Bahnhof. 1960 wurde der westliche Teil der Bismarckstraße in Elkartallee umbenannt.

Otto von Bismarck

Am 23. März 1895 stellt sich die Mehrheit des Reichstags ins Abseits. Sie verweigert eine Glückwunschadresse zum 80. Geburtstag des ehemaligen Reichskanzlers Otto von Bismarck, der es gewagt hatte, die Politik seines Nachfolgers und der Parlamentsmehrheit zu kritisieren. Eine Woche später bricht aus ganz Deutschland ein Glückwunschorkan über den „Eisernen Kanzler“ herein. 450 Städte verleihen Bismarck die Ehrenbürgerschaft und das Postamt an seinem Ruhesitz Friedrichsruh bei Hamburg muss Schwerstarbeit leisten. 9875 Telegramme und 450000 Briefe werden dem alten Mann überbracht, vor dessen Residenz sich tausende von Bewunderern zur Gratulation eingefunden haben.

Geboren wird Otto Eduard Leopold von Bismarck am 1. April 1815 in Schönhausen in der Altmark als viertes von sechs Kindern der Gutsbesitzer Ferdinand und Wilhelmine Luise von Bismarck. Im Alter von sechs Jahren schicken ihn die Eltern zur schulischen Ausbildung nach Berlin, wo er schließlich am Gymnasium zum Grauen Kloster die Reifeprüfung ablegt. 1832 immatrikuliert sich Bismarck an der Universität Göttingen und studiert Rechts- und Staatswissenschaften. Als Mitglied des studentischen Korps „Hannovera“ rühmt er sich, „innerhalb von drei Semestern 28 Mensuren gehabt und immer gut davongekommen zu sein“. Seine Anwesenheit bei einem Pistolenduell endet weniger glimpflich. Bismarck wird zu einer Karzerstrafe verurteilt. 1833 wechselt er an die Universität in Berlin, wo er 1835 nach dem ersten juristischen Staatsexamen Referendar am Königlichen Stadtgericht wird. Glücklich ist er mit dieser Tätigkeit nicht. Referendariatsversuche in Aachen und Potsdam enden erfolglos.

Nach dem Tod der Mutter übernimmt Otto von Bismarck gemeinsam mit seinem Bruder Bernhard die Bewirtschaftung der elterlichen Güter in Pommern. 1844 unternimmt er seinen letzten Versuch, sich für die Beamtenlaufbahn zu qualifizieren, bricht aber die Referendars-Ausbildung in Potsdam nach zwei Wochen ab. Seine ersten politischen Gehversuche unternimmt Bismarck, als er im Oktober 1845 Abgeordneter im Provinziallandtag von Pommern wird. 1847 rückt er in den Preußischen Landtag nach und erwirbt sich wegen seines rednerischen Talents und seines ausgeprägten Anti-Liberalismus Hochachtung in konservativem Kreisen. Bismarcks Anti-Liberalismus trägt bisweilen bizarre Züge. Am 25. März 1852 liefert er sich mit dem liberalen Abgeordneten Georg Freiherr von Vincke eine Duell auf Pistolen, das unblutig endet. 1863 trifft sich Bismarck sogar mit Ferdinand Lasalle, um die organisierte Arbeiterbewegung in den Kampf gegen den Liberalismus einzubinden.

Zwischen 1859 und 1862 sammelt Otto von Bismarck außenpolitische Erfahrungen als Gesandter in St. Petersburg und Paris. Nach einem Verfassungskonflikt über die Finanzierung der Heeresreform beruft Wilhelm I. Bismarck am 30. September zum vorläufigen preußischen Ministerpräsidenten. am 8. Oktober wird er gleichzeitig Ministerpräsident und preußischer Außenminister.

Mit dem Deutsch-Dänischen Krieg beginnen 1864 die sogenannten „Einigungskriege“, die 1871 zur Gründung des Deutschen Reiches unter Ausschluss Österreichs führen. Am 21. März 1871 wird Otto von Bismarck in den erblichen Fürstenstand erhoben und unter Beibehaltung seiner Ämter als preußischer Ministerpräsident und Außenminister zum ersten deutschen Reichskanzler ernannt. Wilhelm I., nunmehr deutscher Kaiser, schenkt Bismarck den Sachsenwald im Herzogtum Lauenburg.

In den ersten Jahren nach der Reichsgründung versucht Bismarck das Deutsche Reich bündnispolitisch gut zu positionieren, wobei Frankreich zum „Erbfeind“ erklärt und aus Bismarcks Bündnisüberlegungen ausgeschlossen wird.

Der nächste „Feind“ steht für Bismarck im Lande: die immer stärker werdende Arbeiterbewegung. Mit dem Gesetz „wider die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie“ erreicht Bismarck am 18. Oktober 1878 das seit Jahren angestrebte formale Verbot der Arbeiterpartei. Das weitere Erstarken der Sozialdemokratie allerdings kann Bismarck auch mit seiner Sozialgesetzgebung nicht verhindern. 1883 tritt das Krankenversicherungsgesetz in Kraft, ein Jahr später das Unfallversicherungsgesetz und 1889 das Gesetz über die Invaliditäts -und Altersversicherung. Am Ende dieser sozialpolitischen Maßnahmen, deren Zweck die Zerstörung der Sozialdemokratie ist, steht diese stärker da denn je.

Bis 1888 bleibt Otto von Bismarck der absolut erste Mann im Reich, dem sich auch der Regent unterordnet. Das ändert sich mit der Thronbesteigung Wilhelms II., der auf jedem Politikfeld seinen eigenen Willen durchsetzen will und dem folgerichtig Bismarck im Wege ist. Selbst auf dem Gebiet der Sozialgesetzgebung geht Wilhelm II. eigene Wege. Als 1890 Bismarcks Vorlage für ein unbefristetes Sozialistengesetz im Reichstag durchfällt, beginnt die schrittweise Demontierung des „Eisernen Kanzlers“. Zunächst tritt er vom Amt des preußischen Handelsminister zurück, das er seit 1880 innehat. Dann fordert ihn der Kaiser am 15. März zum Rücktritt auf. Bismarck reicht am 18. März seinen Rücktritt ein und wird am 20. März als Reichskanzler und preußischer Ministerpräsident entlassen. Dafür wird er mit dem Titel „Herzog von Lauenburg“ belohnt, aber der störrisch gewordene Alte weigert sich, diesen Titel zu tragen.

Nach diesen Querelen ist Otto von Bismarck politisch so gut wie erledigt, aber ein kleines Rachemoment gönnt er sich 1891. Als Kandidat der Nationalliberalen wird er in den Reichstag gewählt. Das sorgt, obwohl der „Alte vom Sachsenwald“, wie er nunmehr genannt wird, das Mandat nicht annimmt, für gehörige Unruhe im nachbismarckschen Reich, denn damit beginnt ein Bismarck-Kult, dem auch Wilhelm II. nichts entgegenzusetzen hat.

Otto von Bismarck, der 1851 die Devise ausgegeben hat: „Wir sind nicht auf dieser Welt, um glücklich zu sein und zu genießen, sondern um unsere Schuldigkeit zu tun“, stirbt nach und mit all seiner Schuldigkeit am 30. Juli 1998 in Friedrichsruh. Der mittlerweile versöhnungssüchtige Wilhelm II. möchte den Leichnam des großen Alten nach Berlin überführen lassen, um ihm dort ein Staatsbegräbnis auszurichten. Das jedoch lehnt die Familie des Fürsten ab. Noch einmal rächt sich der Kaiser. Der dritte Band der bismarckschen Memoiren, in denen er die Umstände seiner Demission schildert, dürfen nicht erscheinen. Sie werden erste 1919, nach dem Sturz der Monarchie veröffentlicht.


Vom großen alten Mann der Reichsgründung bleiben eine Form der Heringsdarreichung, viele mehr oder weniger wichtige Straßen und Gymnasien und eine Schnapsmarke. Für einen Genussverächter wie Bismarck, dem neben der Presse nichts so sehr zuwider war als biertrinkende Stammtischpolitiker, ein denkwürdiges Zeugnis der Nachhaltigkeit. Er bleibt, wie er war: zu viel Bismarck vernebelt die Köpfe.

Bismarcks bis heute allgefälliges Vermächtnis:

„Wenn man sagt, dass man einer Sache grundsätzlich zustimmt, so bedeutet es, dass man nicht die geringste Absicht hat, sie in der Praxis durchzuführen.“


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